Gustav René Hocke
„Journalist und freier Schriftsteller“ gab der 1908 in Brüssel geborene Gustav René Hocke nicht ohne Stolz zur Antwort, wenn er nach seinem Beruf gefragt wurde. Und in der Tat navigierte Hocke zeitlebens zwischen diesen beiden Polen: Er arbeitete als Italienkorrespondent in Rom für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften und schuf gleichzeitig in seinem zweiten Hauptberuf ein umfangreiches literarisches Oeuvre, das vor allem von großer kunst- und literaturhistorischer Bedeutung ist.
Unmittelbar nach seiner Promotion, 1934 in Bonn, wurde Hocke als Volontär bei der Kölnischen Zeitung angestellt, die in der Nazidiktatur als ein „Nest der passiven Resistenz“ galt, wie es Luise Rinser formulierte - mit ihr sollte Hocke eine über 40-jährige Freundschaft verbinden. 1937 bereiste Hocke erstmals Italien, insbesondere die alten groß griechischen Landschaften Süditaliens, die Wirkungsstätten der Eleaten und Pythagoräer. Seine Liebe zu diesem Land wurde hier manifest und fand ihren ersten Niederschlag in dem Buch Das Verschwundene Gesicht (1939). So musste Hocke es als eine sinnvolle Wendung betrachten, als er 1940 von der Kölnischen Zeitung als Korrespondent nach Rom geschickt wurde. Dort widmete er sich dann, neben der beruflichen Arbeit, acht Jahre lang der Vorbereitung und Niederschrift des Romans Der Tanzende Gott, der 1948 erschien. Dieses Werk wird heute von der Kritik als eines der wichtigsten Schubladen-Manuskripte unter der nazistischen Diktatur bezeichnet. Nach seiner Internierung in einem Kriegsgefangenenlager in den USA – wo er die erste antifaschistische Kriegesgefangenen-Zeitschrift Der Ruf gründete – kehrte Hocke als erster deutscher Italienkorrespondent für eine Reihe deutscher Zeitungen und Zeitschriften 1949 nach Rom zurück. Rom, bzw. der kleine römische Vorort Genzanzo di Roma, wird fortan sein Lebensmittelpunkt und der seiner Familie. Hocke starb dort nach langer schwerer Krankheit im Jahr 1985. Luise Rinser schrieb in einem Nachruf über ihn, er habe wie ein »Berserker« gearbeitet und in den vielen Gesprächen, die sie mit ihm in ihrer langen Freundschaft geführt habe, sei es vor allem immer um eines gegangen: „Um den Menschen in seiner Not und wie sich diese Not in der Kunst ausdrückt“. Als seine wichtigsten Werke gelten heute das kunstgeschichtliche Werk Die Welt als Labyrinth und Der Manierismus in der Literatur. Darüber hinaus verfasste Hocke zahlreiche Essays und Monographien. 1963 erschien von ihm die erste wissenschaftliche Gesamtdarstellung europäischer Tagebücher von der Renaissance bis zur Gegenwart. Zahlreiche Literatur- und Kritikerpreise würdigten sein literarisches Schaffen sowie sein stetes Wirken für die Verständigung der Kulturen unter anderem mit dem Deutschen Verdienstkreuz, dem Goldenen Verdienstkreuz der österreichischen Republik oder dem De-Gaspari-Preis für Völkerverständigung.